Im Sommersemester 2021 fand die Ringvorlesung unter dem Motto „Vertrauen ist gut, Information ist besser“ digital statt und wurde von Studierenden des Masterstudiengangs Information, Medien, Bibliothek unter Leitung von Prof. Christine Gläser und Prof. Dr. Ulrike Verch organisiert.
Wir freuen uns sehr, dass Frau Prof. Dr. Burkova das Grußwort zur Eröffnung der diesjährigen digitalen Ringvorlesung sprechen wird.
Prof. Dr. Olga Burkova ist Vizepräsidentin für Digitalisierung an der HAW Hamburg. Als Professorin für Soziale Arbeit widmet sie sich unter anderem den Themen Beratung und Case Management, IT-gestützte Beratungsformen und Sozialinformatik.
„Informationsfreiheit“ als juristischer und politikwissenschaftlicher Begriff ist ein Kind des 20. Jahrhunderts. Die historischen und philosophischen Wurzeln reichen jedoch tief in die Vergangenheit zurück, in der Teilhabe an der Macht nur einem kleinen Kreis um den theologisch legitimierten Herrscher zuteil wurde, dessen Entscheidungen nicht hinterfragt werden durften. Bis zur aufgeklärten, demokratischen Partizipation war es ein weiter und schmerzvoller Weg.
Die Vorlesung gibt einen Überblick über die Entwicklung staatlicher Transparenz und ihrer Ausprägung im Informationsfreiheitsrecht, über dessen aktuellen Stand und mögliche Ergänzungen. Dies wird mit Beispielen aus der behördlichen Praxis des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit unterlegt.
Vortrag als PDF-Dokument
Prof. Ulrich Kelber ist seit 2019 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Außerdem ist er Honorarprofessor für Datenethik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Von 2000 bis 2018 war er Mitglied des deutschen Bundestages, zuletzt als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz.
Herrschaftswissen befreien, Aktenschränke aufbrechen und öffentliche Kontrolle ermöglichen: Gerade für ein strukturkonservatives Land wie Deutschland kommen Informationsfreiheitsgesetze wie eine kleine Revolution daher. Welche Rolle spielen dabei digitale Projekte? Funktioniert strategische Prozessführung? Und kommt vielleicht bald die Konterrevolution?
Arne Semsrott ist seit 2014 Projektleiter des Informationsfreiheitsportals FragDenStaat. Hier arbeitet er gemeinsam mit dem restlichen Team daran, die Mauern der deutschen Verwaltung & Politik niederzureißen und hilft somit den Bürger:innen ihr Recht auf den Zugang zu amtlichen Informationen in Anspruch zu nehmen. Neben den Projekten bei FragDenStaat veröffentlicht der studierte Politikwissenschaftler als freier Journalist Artikel bei netzpolitik.org und engagiert sich im Vorstand von LobbyControl.
Empirische Messungen zur Internetfreiheit deuten an, dass liberale Demokratien ihre normativ begründete Zurückhaltung auf dem Feld der Online-Inhalteregulierung partiell aufgeben. In jüngeren Jahren haben Extremismus, Hassrede und Desinformationskampagnen als Treiber für gesteigerte Regulationsaktivitäten von Staaten und anderen Governance-Akteuren gewirkt.
Vor diesem Hintergrund betrachtet der Vortrag europäische Politikansätze aus vergleichender Perspektive und zeigt Trends auf. Dabei werden auch die besonderen Herausforderungen und begrenzte staatliche Handlungsspielräume in der Internet Governance berücksichtigt. Schließlich werden beispielhaft Legitimationsstrategien demokratischer Regierungsakteure in den Blick genommen und regimespezifische normative Paradoxien erörtert
Prof. Dr. Wolf Schünemann ist promovierter Politikwissenschaftler und lehrt an der Universität Hildesheim mit dem Schwerpunkt Politik und Internet. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in den Themen Cybersicherheit und Netzpolitik in Europa. Er ist Sprecher der Themengruppe Digitalisierung und Politik der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW).
Sie trauen sich zu reden, wo andere schweigen: Whistleblower:innen leaken Informationen, damit Missstände oder illegale Machenschaften aufgedeckt werden. Dafür gehen sie häufig ein großes persönliches Risiko ein.
Der Vortrag gibt Einblick, welche Rolle Hinweisgeber als journalistische Quelle für die Kontrollfunktion der Medien spielen und welche Instrumente Investigativjournalist:innen nutzen, um an für die Öffentlichkeit relevante Informationen zu gelangen.
Verena Nierle ist Leiterin der Teams BR Recherche und BR Data, welche die Investigativ-Einheit des Bayerischen Rundfunks darstellen. Die Arbeit der Investigativ- und Datenjournalisten ist mit diversen Preisen ausgezeichnet worden, u.a. mit dem Georg Schreiber-Medienpreis, dem Journalistenpreis des Weissen Rings sowie dem Otto Brenner Preis und war mehrfach für den Deutschen Radiopreis nominiert. Seit 2016 ist sie Teamleiterin von BR Recherche und BR Data, welche die Investigativ-Einheit des Bayerischen Rundfunks darstellt.
Auskünfte zu Umweltthemen von informationspflichtigen Stellen (öffentliche Stellen und bestimmte private Stellen) sind seit der Novelle des Umweltinformationsgesetzes 2005 verstärkt möglich. Doch wie ist die Nutzung des Umweltinformationsrechts in der Praxis? Wer stellt Anträge auf Auskunft zu Umweltinformationen? Wie steht es mit der aktiven Verbreitung von Umweltinformationen?
In einem umfassenden Projekt wurde die Praxis des Umweltinformationsrechts des Bundes zwischen 2018 und 2020 erstmals evaluiert. Der Bericht mit seinen drei Teilen ist seit Dezember 2020 auf den Webseiten des Umweltbundesamtes verfügbar. Mit dem Vortrag sollen wesentliche Ergebnisse der Evaluation vorgestellt und diskutiert werden.
Dr. Michael Zschiesche ist Jurist und Ökonom. Seit 1991 ist er im Unabhängigen Institut für Umweltfragen e.V. (UfU) tätig und ist Fachgebietsleiter zum Umweltrecht & Partizipation. Er ist Experte für die drei Säulen der Aarhus-Konvention (Umweltinformationsrecht, Öffentlichkeitsbeteiligung und Zugang zu Gerichten) und hat zahlreiche Veröffentlichungen zu den Aarhus-Themen und weiteren Umweltfragen verfasst.
Anders als der Datenschutz hat die Informationsfreiheit in Deutschland keine lange Tradition. International ist das deutsche Recht noch immer ein Nachzügler. Erst seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verliert das Amtsgeheimnis hierzulande an Bedeutung. Dazu hat der europäische Gesetzgeber zuerst durch Initiativen im Umweltinformationsrecht, später aber auch durch Transparenzregeln im Primärrecht der Union wesentlich beigetragen. Auch der Europarat hat durch die gerade in Kraft getretene Tromsö-Konvention erstmals Maßstäbe in diesem Bereich gesetzt, die auch über Europa hinausweisen. Fragen zum Informationszugang sind noch häufiger als beim Datenschutz Machtfragen, denn: Wissen ist Macht
Dr. Alexander Dix, LL.M., ist Jurist und stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID) in Berlin. Von 1998 bis 2006 war er Landesbeauftragter für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht in Brandenburg und von 2005 bis 2016 Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit.
Nicht ohne Grund ist die Pressefreiheit in Artikel 5 unseres Grundgesetzes geschützt, denn nur eine freie Presse schafft Öffentlichkeit und kann als „watchdog“ den Erhalt unserer Demokratie garantieren. Der Vortrag zeigt die Gefährdungen der Pressefreiheit auf – nicht nur durch von außen gesteuerte Angriffe, sondern auch bedingt durch ökonomische Zwänge der Medienbranche. Ein Einblick in die Hintergründe und Ausblick auf mögliche Lösungsansätze.
Nach 40 Berufsjahren in der Medienbranche, zuletzt als Verlagsgeschäftsführerin, engagiert sich Ulrike Fröhling seit 8 Jahren ehrenamtlich für die Antikorruptions-Organisation Transparency International Deutschland e.V.. Sie leitet die Arbeitsgruppe Transparenz in den Medien und die Regionalgruppe Hamburg/Schleswig-Holstein.
Jede:r Bürger:in hat in Deutschland das demokratische Recht, Einfluss auf seine Regierung auszuüben, zum Beispiel in Form von Bürgerinitiativen, Anträgen oder Briefen. In der Praxis wird dieses Recht aber selten von Bürger:innen wahrgenommen. Vielmehr setzen sich Lobbyverbände der Unternehmen, Arbeitgeber:innen, Gewerkschaften, Kirchen und NGOs dafür ein, ihre Interessen gegenüber den staatlichen Entscheidungsorganen durchzusetzen. Nach dem Bekanntwerden jüngster Lobbyismus-Affären, wie z.B. der Aserbaidschan-Connection oder auch der Maskenaffäre hat die CDU-Partei nun einen Gesetzesentwurf für ein Lobbyregister auf den Weg gebracht.
Mehr Transparenz und demokratische Kontrolle in Deutschland und der EU fordert auch der Verein LobbyControl. In seinem Vortrag zeigt Martin Jähnert, der seit 2016 für LobbyControl tätig ist, welche Problematik entsteht, wenn einzelne Lobbyverbände auf intransparente und übermäßige Weise Abgeordnete beeinflussen. Im Zentrum dieser Debatte steht das neue Lobbyregister und die Frage, ob es dabei helfen kann, zukünftige Lobbyaffären schneller aufzuklären oder sogar vorzubeugen.
Martin Jähnert hat nach seinem Studium der Verkehrsplanung und Zukunftsplanung in Berlin 2015 als lobbykritischer Stadtführer begonnen. Mittlerweile arbeitet er seit 2016 als Referent für die lobbykritische Aufklärung dieser Stadtführungen bei LobbyControl und ist seit 2021 zudem für das Projekt der Lobbypedia verantwortlich.
Eine demokratische Gesellschaft lebt von der politischen Beteiligung ihrer Bürger:innen. Diese haben jedoch häufig den Eindruck nicht ausreichend gehört zu werden und kaum Einfluss auf die Politik nehmen zu können. Das Portal abgeordnetenwatch.de möchte dies ändern und ermöglicht bundesweit einen direkten Austausch zwischen Bürger:innen und Abgeordneten sowie Kandidierenden. Nach dem Prinzip „Bürger:innen fragen – Politiker:innen antworten“ entsteht ein öffentlicher Dialog, der Verbindlichkeit in den Aussagen der Politiker:innen schafft, denn ihre Aussagen sind auch Jahre später noch nachlesbar.
Dieser Vortrag verdeutlicht die Notwendigkeit von Portalen wie abgeordnetenwatch.de für eine selbstbestimmte Gesellschaft und zeigt auf, wie mehr Transparenz in Bezug auf die Nebentätigkeiten von Abgeordneten geschaffen werden kann. Welche Rolle hat abgeordnetenwatch.de bei der aktuellen Änderung des Abgeordnetengesetzes gespielt und welche Bedeutung hat diese Änderung für die demokratische Gesellschaft?
Clara Helming ist Kampagnenkoordinatorin bei abgeordnetenwatch.de. Das heißt, sie sorgt dafür, dass die Transparenz-Forderungen des Portals in Politik und Öffentlichkeit Gehör finden. Clara Helming hat Politikwissenschaften studiert und danach als Fundraiserin für ein Wissenschaftsmuseum gearbeitet. Im Anschluss war sie einige Jahre als PR-Beraterin im Berliner Politikbetrieb tätig.